«Nüsse sind einfach eine total spannende Nahrungsmittelgruppe. Aus der Ernährungsphysiologie kommend, aber auch einfach, weil sie in der Küche so vielschichtig einzusetzen sind»: Ernährungswissenschaftlerin Christine Brombach über Nüsse als wertvolles Nahrungsmittel.
Christine Brombach: Die Ernährungswissenschaftlerin Prof. Dr. Christine Brombach leitet an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Wädenswil die Fachstelle Ernährung und Consumer Science. Ihr Studium der Oecotrophologie mit Promotion schloss sie an der Universität Giessen (D) ab und bildete sich zudem in Arbeits-, Berufs- und Wirtschaftspädagogik aus. Es folgten Studienaufenthalte in den USA sowie der Master of Science in Nutrition und Second Major in Gerontologie.
Interview
Wädenswil, 14. Oktober 2019
«Pakka»: Haben Sie eine Lieblingsnuss?
Brombach: Zum einen liebe ich Baumnüsse in allen Varianten. Ich bin aufgewachsen mit Baumnüssen im Garten und hatte bis vor Kurzem einen eigenen Walnussbaum hier in Wädenswil. Das ist einfach eine ganz tolle Nuss. Ich liebe aber alle Formen von Nüssen: Cashew, Macadamia, Pekan, Haselnüsse. Ich mag auch weniger bekannte Nüsse, wie z.B. Buchecker [Buchennüsse].
«Pakka»: Wo kriegt man Buchecker heute?
Brombach: Im Handel gibt es sie nicht. D.h. im Wald selber sammeln, auspellen, rösten und gucken, was man damit so machen kann.
«Pakka»: Was sind Sie für eine Nusskonsumentin?
Brombach: Ich esse relativ viele Nüsse, mehr als der Durchschnitt. Ich denke, im Schnitt sind es zwischen 30g-50g Nüsse pro Tag. Damit entspreche ich auch den Empfehlungen des EAT-Lancet-Report.
«Pakka»: «EAT-Lancet-Report», können Sie etwas dazu sagen?
Brombach: Der EAT-Lancet-Report [siehe Infobox unten] ist ein Bericht in dem international renommiertes Fachjournal LANCET, das immer wieder zu bestimmten Ernährungsthemen Stellung nimmt. Im Januar dieses Jahres wurde ein spannender Bericht herausgegeben, der im Bereich der Ernährung sehr viel Furore gemacht hat. Vor dem Hintergrund der Bevölkerungsentwicklung auf unserem Planeten hat eine Expertenkommission berechnet, welche Kennzeichen eine durchschnittliche Ernährungskost hat, wenn die global zur Verfügung stehenden Ressourcen beachtet werden und man sich so ernährt, dass auch 10 Milliarden Menschen auf dieser Erde leben können. Sie sagen, dass rechnerisch jedem Menschen 2500 Kilokalorien pro Tag zur Verfügung stehen. Diese Menge brechen die Autoren des Reports auf die einzelnen Lebensmittelgruppen runter und da tauchen die Nüsse mit 50g pro Tag als besonders wertvoll auf.
«Pakka»: Die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung, wie auch die Deutsche empfehlen 25g Nüsse pro Tag zu essen. Werden Sie diese Empfehlung nun anpassen?
Brombach: Die Gesellschaften für Ernährung geben Empfehlungen auf die Bevölkerung bezogen ab. Im Unterschied dazu hat der EAT-Lancet-Report den globalen Aspekt im Blick. Aber langfristig denke ich schon, dass wir den Anteil der Nüsse erhöhen müssen. Nur schon, wenn wir es überhaupt schaffen auf die 25g oder 30g Nüsse pro Tag zu kommen, wäre dies sehr zu befürworten. Vielfach stört man sich am hohen Fettanteil der Nüsse. Aber man hat in guten Studien festgestellt, dass diejenigen, die einen hohen Anteil an Nüssen verzehren, insgesamt nicht mehr Energie zu sich nehmen, sich im Gegenteil sogar gesundheitsfördernder ernähren. Man muss sagen, wir in der Schweiz essen insgesamt zu wenig Nüsse. Gemäss menuCH, der Schweizer Ernährungserhebung, verzehrt ja jeder Schweizer im Schnitt weniger als 5g Nüsse pro Tag.
«Pakka»: Wir reden von Nüssen als «Kraftfutter für Körper und Geist». Was bedeutet das in der Sprache der Ernährungsexpertin?
Brombach: Das sind zum einen die Zusammensetzung der Fette, mit dem in der Regel hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren, der essentiellen Fettsäuren, die wir eben auch für unseren Stoffwechsel benötigen. Dann schätzen wir den sehr hohen und hochwertigen Anteil der Aminosäuren und der Eiweisse. Aufgrund der günstigen Fett-Eiweisskombination sprechen wir dann von «Nahrung fürs Hirn». Schliesslich auch die Nahrungsfasern, die im Samenhäutchen enthalten sind und die Darmbewegung fördern. Insgesamt ergibt das einfach ein sehr hochwertiges Nahrungsmittel, das zu einer ausgewogenen Ernährungsweise gehört.
«Pakka»: Kürzlich wurde eine Studie der University of South Australia veröffentlicht, deren Resultate zeigen, dass der Konsum von Erdnüssen die kognitiven Fähigkeiten im Alter verbessern kann. Was halten Sie von solchen Studien?
Brombach: Es zeigt sich immer wieder, dass die Ernährung eine sehr komplexe Geschichte ist. Natürlich kann man spezifische Lebensmittel auf bestimmte Aspekte untersuchen und das mag sicher in dem Zusammenhang zutreffend sein. Aber Nüsse bedienen ja eine ganze Reihe von verschiedenen Stoffwechselprozessen im Körper und sind in Wechselwirkung mit anderen Lebensmitteln. Da tue ich mich dann immer etwas schwer, wenn man ein einziges Lebensmittel so auslobt. Solche Studien sind in einem bestimmten Zusammenhang zu sehen, sie wurden mit einer bestimmten Personengruppe und anhand einer spezifischen Fragestellung durchgeführt. Verstehen Sie, der Rahmen solcher Studien ist eng abgesteckt. Daher muss man sich hüten, daraus Verallgemeinerungen abzuleiten.
«Pakka»: Was wäre ihre Empfehlung bei den Nüssen für Kinder?
Brombach: Bis zum Alter von zwei Jahren sollte man vorsichtig sein, wegen der Verschluckungsgefahr. Und natürlich haben Nüsse ein Allergenpotential. Heute ist man in der Allergieforschung aber davon weggekommen, möglichst lange zu warten bis man ein potentielles Allergen einführt. Je eher man das Immunsystem aktiviert, umso eher können Allergien vorgebeugt werden. Man kann also damit beginnen Nüsse in pürierter Form unterzumischen. Aber das muss jeder für sich selbst ausprobieren. In einem Haushalt, in dem Nüsse dazugehören, wollen die Kinder natürlich mitessen. Wir hatten früher einen Walnussbaum und da gab es auch Nüsse. Das war völlig normal. Wir haben Nüsse gesammelt, geknackt und aus der Schale Männchen gebastelt. Und da wurde natürlich auch genascht.
«Pakka»: Kann man sagen, dass sich das Image der Nüsse im Zuge des Ernährungstrends verbessert hat?
Brombach: Ich denke schon, vor allem durch die vegetarische und vegane Kost. Generell stelle ich jedoch immer wieder fest, dass wenig praktisches Wissen vorhanden ist. Damit meine ich das Kochen mit Nüssen. Dabei sind Nüsse einfach eine total spannende Nahrungsmittelgruppe. Aus der Ernährungsphysiologie kommend, aber auch einfach, weil sie in der Küche so vielschichtig einzusetzen sind: In herzhaften Gerichten, als Saucenbinder und Eierersatz oder als Topping in Salaten und Müesli. Ich denke auch an Gratins, die mit Nüssen zubereitet werden. Ich glaube, da können wir noch vieles von der arabischen Welt lernen. In der Levante werden ja Nüsse traditionell viel verwertet, insbesondere in Pasten und in Kombination mit Hülsenfrüchten. Beim klassischen Hummus wird Sesampaste verwendet, aber es gibt auch Erbsenpasten, bei denen Nüsse beigemengt werden. Einfach weil es gut schmeckt. Und ernährungsphysiologisch ist es total wertvoll. Wir kennen ja Nüsse nur als Studentenfutter und nicht als etwas, das uns eigentlich das ganze Jahr begleiten kann. Das finde ich so schade, dieses unterschätzte Potential der Nüsse!
«Pakka»: Haben Sie ein Lieblings-Nussrezept, dass Sie uns hier verraten können?
Brombach: Ich liebe Nüsse in Form von Pestos. Und da verwende ich alle Nüsse, die ich dahabe: Walnüsse, Mandeln, Pekan, Macadamia, Cashews. Im Übrigen kann man auch alle Arten von Kräutern verwenden. Pesto ist wirklich ein Klassiker und bei uns immer im Kühlschrank. Und dann liebe ich Nüsse auch einfach als Snack. Ich habe ein ganzes Sortiment, greife mir eine Handvoll ab und esse die dann einfach so.
«Pakka»: Ja, Nüsse haben ein Suchtpotential…
Brombach: Ja, wirklich! Ich könnte locker eine ganze Packung auf einmal aufessen. Da muss ich mich etwas zügeln. Aber jetzt in dieser Jahreszeit gehören Nüsse für mich einfach dazu. Denn der Herbst ist Nusszeit!
Zum Tomaten-Walnuss-Pesto-Rezept von C. Brombach
Über den EAT-Lancet Report
Die «EAT-Lancet Commission on Food, Planet, Health» brachte 37 weltweit führende Wissenschaftler aus der ganzen Welt zusammen, um folgende Frage zu beantworten: Können wir eine zukünftige Bevölkerung von 10 Milliarden Menschen innerhalb der Grenzen unseres Planeten mit einer gesunden Ernährung versorgen? Die Antwort der Wissenschaftler ist ja, aber nur unter der Voraussetzung, dass wir unsere Essgewohnheiten ändern, die Nahrungsmittelproduktion verbessern und die Verschwendung von Lebensmitteln reduzieren.
Der EAT-Lancet-Bericht ist die erste vollständige wissenschaftliche Überprüfung dessen, was eine gesunde Ernährung aus einem nachhaltigen Ernährungssystem darstellt und welche Maßnahmen die Transformation des Ernährungssystems unterstützen und beschleunigen können.
Mehr erfahren: https://eatforum.org/eat-lancet-commission/